The Gift – Altar
Im April 2017 veröffentlichen The Gift mit „Altar“ nun ihr sechstes Studioalbum. Der legendäre Brian Eno ist auf diesem Album nicht nur als Co-Producer in den Credits zu finden, sondern auch als Co-Writer, Co-Texter, Musiker und sogar als Sänger. Gemischt wurde „Altar“ übrigens von einer weiteren Legende, nämlich von Flood.
Wie schaffft es eine Band, die zwar in ihrer Heimat Portugal, in Spanien und Brasilien gross, darüber hinaus aber nicht sonderlich bekannt ist, so eine Platte aufzunehmen?
So kam es dazu: Nuno Goncalves von The Gift war zu Besuch in Sao Paolo, als er am 14. Januar 2010 zum ersten Mal auf Brian Eno traf. “Wir haben überhaupt nicht über Musik gesprochen,” sagt Nuno. “Nur über Quatsch. Wir waren ja schliesslich im Urlaub!” So wurden sie im Laufe ihres Aufenthalts zu guten Freunden. Eine Weile später war Eno auf einer Spanien-Reise, wo Nuno zufälligerweise in der Nähe einen Auftritt mit seiner Band hatte. “Erst am Tag danach,” erzählt Nuno, “fingen wir an, über Musik zu sprechen. Er hatte viel Fragen zu The Gift. Die Show hatte ihm anscheinend gefallen.”
Dennoch, die Idee einer tatsächlichen Zusammenarbeit wurde nie diskutiert, da Nuno die Freundschaft zu Eno nicht ausnutzen wollte. Nach ein paar Jahren jedoch, wischte Sonia, die charismatische und unverblümte Sängerin, diese Bedenken einfach weg. “Es war mir total egal, ob sie Freunde sind oder nicht!” lacht sie in Erinnerung an ihr erstes Treffen mit Eno. “Ich dachte einfach: verdammt, ich frag ihn!”
Wenige Monate danach fand sich die Band in einem grossen Haus in Meder, einem kleinen Dorf in Galizien, zusammen. Daraus wurde die erste von vier Sessions innerhalb der nächsten zwei Jahre. “Wir waren für alles offen,” sagt Sonia aufgeregt. “Wenn es eine Sache gab, die für uns ungewöhnlich war, ist es, einem Fremden unsere Songs anzuvertrauen. Aber wir waren alle zum ersten Mal so drauf, dass wir sagten: Na los, lasst uns Jemanden vertrauen – es ist schliesslich Brian Eno!”
Laut Nuno, war Enos Herangehensweise so unkonventionell, wie man es sich wünschen möchte. “Er hat uns nicht wirklich geführt,” erklärt er. “Er führt sich selbst zu wundersamen Plätzen, und sobald er dort angekommen ist, lädt er uns ein, ‚Kommt vorbei, hier gehts lang‘ und dann folgen wir ihm.” Oft ergaben sich Songs aus ausgedehnten Jam-Sessions, an denen auch Eno teilnahm. Er half ihnen auch, ihre Ideen mit aussergewöhnlichen Methoden weiterzuentwickeln. Dies umfasste ein paar von Enos berühmten Oblique Strategies, aber sie fanden sich auch in anderen Situationen wieder: “Vitral” nahmen sie gemeinsam in einem dunklen Raum, mit einem Mikrofon in der Mitte auf – wobei der Haupt-Songwriter Nuno draussen bleiben musste! Ein anderes Mal suchten sie ausserhalb des Studios nach Gegenständen die sie als Instrumente verwenden könnten. Sonia legte sich auf eine elektrische Hornhautraspel fest. “Das klingt wunderbar,” stellt Nuno fest. “Es ist wie der Sound eines Messers, das die Schuppen eines Fisches abreibt, nur süsser!” Das Album wurde mit Sessions in London und ihrem Studio in Alcobaca fertig gestellt, einer kleinen Stadt, eine Stunde nördlich von Lissabon, wo die Kindheitsfreunde 1994 The Gift gründeten. Inspiriert von der britischen Trip Hop Szene und der Erhabenheit ihrer Umgebung – “Wir hatten eines der grössten Kloster des Landes direkt vor unserer Nase,” kichert Nuno, “also dachten wir uns, ‚Warum nicht auch gross denken?’” – begannen sie elektronische Instrumente und anspruchsvolle visuelle Effekte in ihre Arbeit zu integrieren. Und blieben dabei Independent, gründeten ihr eigenes Label La Folie.
1998 debütierten sie mit dem Album Vinyl – und wurden dafür auch gleich ausgezeichnet, unter anderem als ‚Album des Jahres‘ der renommierten Diáro de Noticias. Den darauf folgenden Sommer waren sie das Highlight zahlreicher Festivals. Sie behielten vollständige, kreative Kontrolle und heuerten Howie B (der grad mit U2 und Björk gearbeitet hatte) für ihr in 2001 erschienenes und mit Gold ausgezeichnetem Album Film an. Auch dieses Album wurde mit vielen weiteren Awards ausgezeichnet. Es gab reichlich internationale Live-Shows, wie zum Beispiel beim SXSW und Support-Slots für The Flaming Lips in Amerika, darüber hinaus Tourneen in Brasilien und Spanien, wo sie eine grosse Fanbase erspielen konnten.
Das in 2004 erschienene Doppelalbum AM/FM, wurde auch wieder mit Gold prämiert, die Band im Jahr darauf als MTV Europe’s “Best Portugese Act” ausgezeichnet. Die Veröffentlichung ihres ersten Live-Albums mit DVD Fácil de Entender in 2006 brachte sie zu einer noch grösseren Zuhörerschaft, bevor sie 2011 mit Explode, produziert von Ken Nelson (Coldplay, Badly Drawn Boy, Kings Of Convenience) wieder an die Spitze der Charts klettern konnten. Dennoch ist „Altar“ der krönende Höhepunkt der bisher steilen Karriere von The Gift.
Leidenschaftlich und kraftvoll, vollgepackt mit aussergewöhnlichen Melodien, genialen Arrangements und der charakteristischen, portugiesischen Melancholie, dennoch befeuert von Freude und Optimismus. Nuno fasst zusammen: “Wir sind Pop-Musiker. Wir mögen das Lachen mehr als das Weinen.” Wenn ihr Heimatland bis vor kurzem noch Europas bestbehütetes Geheimnis war, dann sind The Gift wahrscheinlich Portugals bestgehütetes Geheimnis. Doch Dank Brian Eno wird sich dies bald ändern. “Vielleicht mussten wir all diese Jahre warten,” schlussfolgert Nuno. “Manchmal braucht es einfach die richtige Haltung und Reife…”