Jeff Angell’s Staticland – Jeff Angell’s Staticland (UDR)
“Let’s leave everything behind and ride into the undefined. I made up my mind, and if you’re so inclined, I need a witness.” („High Score“)
Es ist eine fesselnde Menagerie aus Songs, die Jeff Angell’s STATICLAND da am 20. Mai auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum entfesseln. Stetig changierende Stücke, die sich mühelos von rauen, knurrigen Kaschemmenstampfern in berührende Balladen mit Stones-Touch verwandeln und dabei eigentlich nur einen Impuls im Hörer auslösen: Sofort auf Repeat drücken! Das alles wurde von Grammy-Gewinner Vance Powell (Jack White, The Dead Weather, The Raconteurs, Seasick Steve) dann noch in einen regelrecht angriffslustigen, ideenreichen Blues-Rock-Sound gepackt, der dem Genre bei aller Erdigkeit und Ehrlichkeit klanglich und stilistisch jede Menge neues Leben einhaucht.
“My youth was in the distance, but it was catching up with me.” („The Edge“)
Angells Erstkontakt mit Musik ist dem Autoradio seiner Mutter ebenso zu verdanken wie einem eher ungewöhnlichen Mentor. „Als alleinerziehende Mutter zweier Kinder hatte meine Mom nicht immer die unbedingt besten Verehrer“, erzählt Angell. „Einmal datete sie einen Elvis-Imitator, der immerhin nett genug war, mir eine 7-Inch von ‚Heartbreak Hotel‘ zu vermachen. Dieser Song mit seiner ikonischen Akkordfolge und seiner äusserst anschaulichen Geschichte von diesem trostlosen Ort am Ende der Strasse veränderte etwas in mir. Glen Campbells ‚Rhinestone Cowboy‘ tat das übrigens auf eine ganz ähnliche Weise. Heute denke ich, dass diese Songs ebenso wichtig für mich waren wie die Seattle-Bands, die gerade zu sich selbst fanden, als ich in dieser Stadt aufwuchs.“
Um die Jahrhundertwende liess sich Angell bereitwillig von der Musikszene Seattles schlucken und machte als Sänger und Songwriter der kompromisslosen und nicht unerheblich arroganten Post Stardom Depression auf sich aufmerksam. Ihrer ersten EP auf Will Records („Sexual Uno“, 2000) folgten drei zehrende Jahre im Limbo eines Major-Labels, bevor man zwei Platten bei The Control Group abfeuerte – 2003 „Ordinary Mircales“ und, zwei Jahre später, „Prime Time Looks A Lot Like Amateur Night“. Viele schätzten die Band für ihren explosiven, sexuell aufgeladenen Rock’n’Roll, der sie unter anderem auch mit dem verstorbenen Dee Dee Ramone, den Queens Of The Stone Age, Nebula oder den Bell Rays touren liess. Am Ende waren es jene zahllosen Nächte in kalten Vans in Kombination mit den unvermeidlichen Ausschweifungen der Jugend, die zum verfrühten Niedergang der Band führten. Angell jedoch erhob sich wie ein Phoenix aus dieser Asche namens Post Stardom Depression, rekrutierte Keyboarder Benjamin Anderson, Drummer Michael Alex und Saxofonist Gregor Lothian und gründete The Missionary Position. Gemeinsam veröffentlichten sie die Alben „Diamonds In A Dead Sky“ (2009) und „Consequences“ (2012), beides gelungene Demonstrationen eines zweifelsfrei einzigartigen Sounds.
The Missionary Position erschufen in ihren Songs eine unwiderstehliche Assemblage aus dreckigem Post Punk/Blues Rock mit Ambient-Zwischentönen und ungeheuer introspektiven Texten, die durchaus Vergleiche mit Grössen wie Jim Morrison, Townes Van Zandt oder The Gun Club erlaubten.
Pausenlos reisten sie kreuz und quer durch den Pazifischen Nordwesten, spielten dabei lieber den ganzen Abend anstatt Teil eines typischen Billings mit vier oder mehr Bands zu sein. Nicht weiter verwunderlich also, dass diese Extrazeit auf der Bühne Auswirkungen auf ihre musikalische Entwicklung hatte und Angell zu diesem Zeitpunkt längst als Ausnahme-Frontmann gesehen wurde, der konstant gute Arbeit ablieferte. Es dauerte nicht lange, bis einige der bekannteren Musiker Seattles Angells Talent bemerkten und sich in der Hoffnung um ihn scharrten, ihn einem breiteren Publikum vorzustellen.
Auftritt Walking Papers. Hier vereinigte sich neben Sänger Angell die Rhythmussektion aus Barrett Martin (Screaming Trees, Mad Season) und Duff McKagan (Guns N’Roses) mit Keyboarder Benjamin Anderson, zudem gab Pearl Jams Mike McCready dieser breitbeinigen Unternehmung in Form einiger zügelnder Soli seinen Segen. Der Rolling Stone nannte ihr Debüt einen „klassischen Cocktail aus düsterem, übelwollendem Blues“, Classic Rock sprach von einem „Meisterwerk der Stimmung und der Spannung.“ Die Veröffentlichung des Debüts markierte für Angell 2012 das Ende der mühseligen Van-Touren, die er über ein Jahrzehnt in Nordamerika ertrug, und gleichzeitig den Beginn internationaler Touren – zunächst in Clubs, dann auf Festivals und schliesslich in den Arenen, wo er für Schwergewichte wie Alice in Chains, Jane’s Addiction, Biffy Clyro und Aerosmith eröffnete. Zwar nahmen die Walking Papers bereits voriges Jahr ein durchaus sehnsüchtig erwartetes zweites Album; dessen Veröffentlichung liegt aufgrund von McKagans Rückkehr zu Guns N’Roses allerdings zunächst mal auf Eis.
„Let’s leave the past where it belongs.“ („Everything is Wrong“)
Dieses unerwartete und ungewisse Loch in ihren Zeitplänen erlaubte es Angell mit seinem Kollaborateur Benjamin Anderson, nach Rücksprache mit UDR auf dem Sound ihrer früheren Bands aufzubauen. Sie holten sich den Post Stardom Depression-Schlagzeuger Joshua Fant ins Boot, verkrochen sich in einem Proberaum in Seattle und begannen, wie Angell sagt, „massig Zeit zu investieren“. Entsprechend schnell entstanden die Songs, und bevor es ihnen so richtig klar geworden war, hatten sie ein ganzes Bündel aufregender Stücke in der Hand, denen es spielend gelang, die Spontaneität und Begeisterung passionierter und versierter Musikmacher einzufangen. Songs eben, die wild und roh pulsieren. Die dynamisch und abwechslungsreich sind und jeder für sich eine grosse Leistung darstellen. Zusammen funktionieren sie dennoch als unerschütterliche Einheit, die zahlreiche Fluchtwege in die verschiedensten klanglichen Welten zulässt, kenntlich gemacht von Angells narrativer und lebendiger Bildsprache.
„Während wir dieses Album schrieben, wurde ich von einigen wirklich seltsamen Träumen heimgesucht“, erinnert sich Angell. „Für gewöhnlich schreibe ich narrativ oder autobiografisch, tue das auf diesem Album auch mehr als einmal. Ich wollte jedoch auch Bruchstücke dieser Träume in den Songs verewigen.“
Angells Stimme beschreibt man am besten mit verlebt. Sie ist rauchig, vielseitig und sprachgewandt. Vor allem aber ist sie glaubhaft. Mit ihr erzählt er die Geschichten denkwürdiger Personen, kontempliert Beziehungen und teilt träumerische Assoziationen. Nicht nur das: Stets regt er die Hörer an, ihre Grenzen auszuloten und neu zu definieren.
“Wenn es ein wiederkehrendes Thema in meinen Texten gibt, dann, dass wir die Vergangenheit da lassen sollten, wo sie hingehört”, sagt Angell dazu.
“Bandnamen sind wie Polizisten. Wenn man mal einen braucht, ist keiner da”, scherzt Angell. “Wir hatten da also dieses grossartige Album, aber keine Ahnung, wie wir uns nennen sollten. Uns schwebte etwas vor, das an einen Ort erinnerte, an einen Roman oder eine Serie. Wir warfen viele Dinge durcheinander, die diesen Kriterien entsprachen, und kamen irgendwann bei STATICLAND an. Vielleicht ist es ein Ort, an dem sich die Dinge nicht ändern, und diese Songs dienen uns als Flucht. „Ich mag den Gedanken, dass dieses Album dafür steht, aus einem Hindernis eine Möglichkeit zu machen. Es ist eine Einladung, die Würfel zu rollen.”