Friska Viljor – Broken
Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass Friska Viljor dieser Tage eins der unmittelbarsten Alben aller Zeiten veröffentlichen: Montagnacht erst war „Broken“ im Kasten, am Freitag erscheint es bereits. Das siebte Album der schwedischen Band ist aber nicht nur deshalb bemerkenswert. Mit ergreifender Ehrlichkeit verarbeitet Joakim Sveningsson in den 13 Tracks die Trennung von seiner langjährigen Partnerin. Und um die Frage gleich aus dem Weg zu räumen: Ja, das Foto auf dem Cover zeigt die beiden in glücklicheren Tagen. Doch der Reihe nach.
Der eine oder andere erinnert sich vielleicht: Liebeskummer war es auch, der Joakim Sveningsson und Daniel Johansson vor 13 Jahren dazu brachte, überhaupt gemeinsam Musik zu machen. Beide waren damals frisch getrennt, landeten nach einer durchzechten Nacht in einem Stockholmer Aufnahmestudio und legten damit den Grundstein für eine Karriere, die ganz ohne den Support eines grossen Labels konstant und organisch wuchs und die Band von kleinen Indiespelunken bis in ausverkaufte Hallen brachte. „Die Trennung damals ist mit dieser aber überhaupt nicht zu vergleichen“, so Sveningsson. „Damals waren wir jung und dachten uns ‚hey, lass uns das Beste draus machen, wieder Single zu sein, lass uns auf die Frauen pfeifen und trinken‘. Dieses Mal ging es viel tiefer. Es ist anders, wenn man eine Familie hat.“
Die zwei Jahre, die seit der Trennung vergangen sind, beschreibt Sveningsson als „die schlimmsten meines Lebens“. Von einer gewissen Selbstzerstörung getrieben, streunte er auf der Suche nach sich selbst und dem Sinn durch das Nachtleben der schwedischen Hauptstadt. „Für mich war der einfachste Weg, um mit der Enttäuschung, dem Gefühl, versagt zu haben, und dem Verlust klarzukommen, mich dem Rausch hinzugeben“, sagt er. „Wenn meine Kinder nicht bei mir waren, hatte ich das Gefühl, dass nichts ausser Alkohol dieses Loch in mir füllen kann.“
Friska Viljor hätte Sveningsson zu jenem Zeitpunkt auch am liebsten aufgelöst. „Weil meine Beziehung zerbrochen war, wollte ich, dass alles andere ebenfalls kaputt geht“, reflektiert er. „Zum Glück überzeugte Daniel mich die Band erstmal bloss eine Weile auf Eis zu legen. Das komische: Obwohl ich eigentlich keine Energie hatte, entstanden die ganze Zeit über Songs. Die Platte spiegelt also den gesamten Prozess der Trennung wider.“
In Zeiten, in denen das Album als Kunstform immer wieder totgesagt wird, haben Friska Viljor mit „Broken“ eine Platte aufgenommen, die die der Dramaturgie eines Theaterstücks ähnelt und die einzelnen Stadien von Sveningsson Trauer und Verzweiflung chronologisch nachzeichnet.
Los geht es mit dem Stück „Unless You Love Me“ – eine flotte Indie-Pop-Nummer, wie man sie von Friska Viljor kennt, in der Sveningsson die ersten Zweifel in seiner Beziehung beschreibt. „All of this fighting without any words is tearing my heart, it’s eating me up“ singt er in der mit Bläsern und Chören verzierten Ballade „Trap“, er erkennt sein Versagen in „Failure“ und offenbart in „Regrets“ seine Reue. Dabei sind die Songs sind so tieftraurig und intim, dass man Sveningssons Schmerz beim jedem einzelnen Ton selbst in der Brust spürt.
Der wohl bewegendste Song des Albums ist zweifellos das Stück „All Is Good“. Sveningsson beschreibt darin einen besonders düsteren Moment: „Meine Erinnerung an jenen Abend ist total verschwommen. Ich weiß nur noch, dass ich etwas trinken war. Ich wollte nicht alleine in meiner Wohnung sein, also lud ich ein paar Leute zu einer Afterparty zu mir nach Hause ein“, erzählt er. „Am nächsten Morgen wachte ich auf, weil ich jemanden in meinem Flur schreien hörte. Es war eine obdachlose Frau. Neben ihr hatte ich noch ein paar andere Leute eingeladen, die ich alle nicht kannte. Und nachdem ich die obdachlose Frau beruhigt hatte, stellte ich fest, dass jemand all meine Wertgegenstände wie Computer und Instrumente geklaut hatte. Am schlimmsten war, dass sie auch die Kamera mitgenommen hatten, denn darauf waren viele Fotos meiner Kinder. Das Ganze hob meine Schuldgefühle noch mal auf ein anderes Level.“ Und so singt Sveningsson in dem Stück die herzzerreissende Zeile „I don’t want to die / I just don’t want to be like this in life“.
Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Songs ist es kein Wunder, dass Friska Viljor auf „Broken“ musikalisch andere Töne anschlagen. Ein Grossteil der Songs ist deutlich reduzierter und ruhiger ausgefallen – und trotzdem haben Friska Viljor sie abwechslungsreich ausgestattet. Sanfte Bläser treffen auf zarte Klaviermelodien. Elektronische Drum-Beats, die wie ein Herz schlagen, werden von wabernden Synthie-Flächen umspült – so wie in „Failure“ oder „Guess It’s Over“, das genau wie „Is It Over“ ganz ohne Gesang auskommt und als Art überleitendes Zwischenspiel dient. Etwas beschwingter wird es lediglich in „Endless Life“ und „The Fall“. „Unsere Song hatten schon immer etwas bittersüsses, aber die neuen Songs sind definitiv auf einem anderen Level“, sagt Daniel Johansson. „Wir hoffen die Leute sind bereit, uns auf dieser Reise zu folgen, die uns an Orte führt, an denen wir zuvor noch nicht waren. Und wir hoffen, dass alle, die in der gleichen Situation sind oder waren, Trost darin finden, dass sie nicht alleine sind.“
Zu Ende geht „Broken“ schliesslich mit dem Stück „Not The Same“. „It is not the same thing as it was before / when we still were in a family of four / And because you’re the only one I love / I don’t think that I will ever move on“, singt Sveningsson darin, bevor über einem experimentellen Klangteppich nur noch sein Atmen zu hören ist. Kein Happy End also? „Es ist noch längst nicht alles gut“, sagt er. „Aber ich habe so langsam das Gefühl, dass es irgendwann wieder wird.“